Seminar für Pastorinnen in Samara

Die Pastorinnen des Bundes Evangelisch-Lutherischer Kirchen Russlands und anderer Staaten haben sich zum vierten Mal zu einem Seminar versammelt, das diesmal vom 6. bis 10. September in der Stadt Samara durchgeführt wurde. Die alte und gleichzeitig  moderne Stadt am Ufer der Wolga hat uns mit warmem und sonnigem Wetter empfangen. Die Atmosphäre des Seminars war noch wärmer und  es war mir besonders angenehm, mich mit meinen Kollegen-Pastorinnen aus Moskau, Orenburg, Kaliningrad, Toljatti und anderen Städten zu treffen, mit denen ich am Theologischen Seminar in Nowosaratowka (Sankt-Petersburg) studiert hatte und die ich zum Teil längere Zeit  nicht gesehen habe.
Die Referentin des Seminars war Agnes von Kirchbach, Pastorin der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs und Lektorin am Institut für ökumenische Forschungen in Paris. Als zweite Referentin war Brigitte Rachel vom Ev. Berufstätigenwerk unserer Partnerkirche Württemberg eingeladen. Sie hat über den württembergischen Reformator Johannes Brenz berichtet.
Das Thema des Seminars lautete so: «Ägypten verlassen – welche Freiheit wird damit gemeint, wenn Gott uns beruft? » Wir vertieften uns in die ersten zehn Kapitel des Buches Exodus über die Geburt Moses, seine Flucht aus Ägypten und die Rückkehr dorthin, um die Mission zu erfüllen, zu der er von Gott berufen wurde, das Volk Gottes aus Ägypten herauszuführen. Das alles waren gut bekannte, vielmals gelesene Texte. Trotzdem hat uns die Heilige Schrift mit ihrer unerschöpflichen Tiefe und unerwarteten Entdeckungen, die wir mithilfe von Pastorin Agnes gemacht haben, verblüfft. Besonders hat mir ein Gedanke gefallen, dass wir alle berufen sind, «Hebammen» Gottes zu sein, ebenso wie Schifra und Pua, die die jüdischen Kinder vor dem Pharao retteten (Exodus 2:15). Die Aufgabe der «Hebammen» besteht im Empfang des neuen von Gott gesegneten Lebens und dieses vor «Pharaonen» zu schützen, die es in verschiedenen Formen bedrohen. Der geistliche Tod ist schrecklicher als der physische, deshalb ist es sehr wichtig, die neue Generation vor dem Verlust der Geistigkeit und des falschen Verständnisses für Freiheit, nämlich als Unabhängigkeit von allem, zu schützen, während die Freiheit vor allem von Gott uns geschenkte Freiheit des Geistes ist. Und diese Freiheit erwerben wir durch die ständige Nähe zu Gott auf dem Weg der Befreiung von der Macht der «Pharaonen», d.h. von der Macht der dunklen Kräfte, die in uns sind und uns in der Sklaverei halten wollen.
Neben dem Bibelunterricht war auch ein Kulturprogramm vorgesehen. Wir haben anlässlich des Tages der Stadt Samara am Hauptplatz ein Konzert besucht, in dem die 7. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch gespielt wurde. Dieses Werk hat der große Komponist der Leningrader Blockade gewidmet und es während des Evakuierungsaufenthalts in Samara beendet, wo auch   1942  die Uraufführung stattgefunden hat. Die Spaziergänge am Ufer der Wolga und die Fahrt mit dem Schiff, von dem aus man eine herrliche Aussicht auf die Stadt und die endlose Weite des größten russischen Flusses hat, haben uns unvergesslich beeindruckt.
Am 8. September feierten wir in der lutherischen St.- Georgs- Kirche in Samara einen gemeinsamen Gottesdienst.  In der Stadt Toljatti haben wir das Gemeindehaus besucht, in dem Pastorin Tatjana Jiwodjerova schon viele Jahre das Projekt für eine Gruppe junger Menschen mit eingeschränkter Gesundheit durchführt. Während des Tagesaufenthalts der Kinder und Eltern findet der Unterricht für die Entwicklung und Ausbildung statt, zu dem auch eine mögliche Arbeit und kreative Tätigkeit geübt werden.
Zum Schluss möchte ich mich bei der Pröpstin des Samara Gebiets Dr. Olga Temirbulatova und bei allen Mitarbeitern der St.- Georgs- Kirche für die wunderbare Organisation des Seminars mit den interessanten Begegnungen, der Herzensgüte und Gastfreundschaft bedanken.
Pastorin Irina Solej